Herbstzeitlose
Mir steht der Sinn nach Brombeermarmelade. Seit Tagen ertappe ich mich dabei, wie ich meinen Zeitplan nach freien Minuten zum Brombeersammeln üerprüfe. Es besteht kein Mangel an leeren Einweckgläsern, selbst dieser Tatbestand ist im Unterbewusstsein wahrgenommen. Herbst bricht über mich herein. Ich möchte Marmelade kochen, Gemüse ernten, Sammeln und Konservieren. Es drängst mich, im Garten zu arbeiten, ihn umzugraben, winterfest zu machen, habe aber keinen. Trotzdem ist dieser Wunsch da, ein Bedürfnis tief in meinem Inneren, geboren in der Urzeit des Ackerbaus.
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Am Dienstag fahre ich auf den Wochenmarkt. Schon von weitem lachen mir die Kürbisse entgegen, locken mich farben- und formenfroh in die Fülle des Angebotes. Am Obststand, zwischen Äpfeln, Birnen, Zwetschgen und Heidelbeeren -aber ist das nicht Frühsommer?- Erdbeeren! Am Gemüsestand daneben Kohlköpfe und Birnen, Bohnen, Speck, ein einheimisches Herbstgericht. Bei uns zu Hause gab es Äpfel, Kartoffeln, Blutwurst. Auch eine Herbstspeise, aber aus anderer Region. Gegenüber der Blumenstand. Soweit das Auge reicht Dahlien, das Septemberfeuerwerk aus Farben und Formen, der Blumenklassiker. Rottöne, in Gelb beginnend, bei dunkelbraun und schwarzrot endend.
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Ich nutze den freien Sonnentag für einen Spaziergang. Der Himmel hat dieses typische klare Herbstblau, die Sonne schenkt der Natur einen warmen Goldglanz, jetzt haben alle Farben ein wenig mehr von dem, was sie sonst haben. An der Ecke macht ein Ausflugslokal mit einem Schild auf Zwiebelkuchen und Federweißen aufmerksam. Mir fallen die Wanderungen in den Weinbergen ein, ich habe den Duft der reifen Weintrauben, der gerösteten Maroni augenblicklich wieder in der Nase. Stundenlange Wege, bergauf, bergab, vorbei an roten und weißen Trauben, unterbrochen von erfrischender Einkehr in einem Buschenschank. Sitzen in der Wärme der späten Herbsttage, Blick auf sanft geschwungene Berge, von dunstigen Schleiern leicht verhangen.
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Dem Herbst fehlen zwei bis drei Tage gegenüber den anderen Jahreszeiten. Ich vermute, er versucht dieses Manko auszugleichen, indem er uns glauben läßt, seine Zeit verginge etwas langsamer. Gefühlte Mehr-Zeit, Herbst-Zeitlos.
(raunacht 2005)
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